Verbreitung, Übertragungswege und verbundene Krankheiten
Die dreiteilige Blogreihe zum Thema "Endoparasiten beim Hund" beschäftigt sich mit dem tatsächlichen parasitären Risiko für unsere Hunde in Deutschland, den Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik und der Frage, wie schädlich die Therapien, wie Wurmkuren, tatsächlich für die Gesundheit unserer Vierbeiner sind.
Im Alltag begegneten uns immer häufiger Fälle von Hunden, die auf dem Papier negativ auf Parasiten getestet worden sind und nach der Gabe von Wurmkuren plötzlich frei jeglicher -meist unspezifischer- Symptomatik waren. Wenn diese Tatsache nicht alleine schon Grund genug ist, sich mit dem Thema eingehend auseinanderzusetzen, so wurden wir vor allem auch durch den Trend motiviert, dass Wurmkuren "Chemie" seien und "den Darm schädigen". Zumeist wird dies gerne von Leuten mit gefährlichem Halbwissen propagiert, die Leinenführigkeit am Geschirr trainieren, ihren Hund sieben mal täglich füttern, "weil er sonst erbricht" und ständig das Futter wechseln, um "für Abwechslung zu sorgen".
Bevor wir emotional werden und abdriften, schnell zurück zum Thema und objektiven Tatsachen.
Starten wir also der Reihe nach und beginnen mit der Ausgangssituation:
Wie hoch ist denn tatsächlich das parasitäre Risiko für unsere Hunde in Deutschland?
Was vorher durch die regelmäßige Gabe von Wurmkuren eine Dunkelziffer war, wird nun dank dem aktuellen Trend zur Kotanalyse greifbarer: Das tatsächliche Risiko von parasitären Infektionen für unsere Hunde. Eins vorweg: Das Risiko ist erschreckend höher, als der durchschnittliche Hundehalter vermuten würde und dabei testen wir erst auf einen Bruchteil der bekannten Parasiten.
Die folgenden Endoparasiten sind für Hunde in Deutschland relevant. Ein Hinweis an dieser Stelle: Für Auslandshunde oder Reisen in das Ausland sind weitere Parasiten relevant, die allerdings nicht Teil dieser Ausarbeitung sind.
Würmer (Helminthen) | Einzeller (Protozoen) |
Spulwürmer | Kokzidien |
Hakenwürmer | Trichomonaden |
Zwergfadenwürmer | Giardien |
Peitschenwürmer | Blastozyten |
Bandwürmer | |
Herzwürmer | |
Lungenwürmer | |
Subkutane Würmer | |
Augenwürmer | |
Die Bezeichnungen sind etwas irritierend, denn die meisten Herzwürmer befallen tatsächlich die Lunge, Augenwürmer sind auch in der Nase zu finden und intestinale Würmer breiten sich über das Lymphsystem auch in andere Organe, wie Leber oder Niere aus. Für eine grobe Klassifizierung sollen uns diese Gruppen jedoch ausreichen.
Infektionswege
Für alle Einzeller und Würmer finden sich diverse Unterarten. Auch hier seien wieder nur diejenigen genannt, die eine Relevanz für Hunde in Deutschland haben.
Als erstes schauen wir uns an, auf welche Weise sich unsere Hunde mit dem jeweiligen Parasiten infizieren können.
Tatsächlich sind die meisten Wurmarten auch Zoonosen und damit auf den Menschen übertragbar. Die infektiösen Vermehrungsprodukte der Helminthen (Eier oder Larven) können teilweise über Jahre in der Umwelt, also auf dem Boden, überleben. Neben den Kot von infizierten Tieren sind in der obigen Tabelle auch die typischen Beutetiere, die Träger des Parasiten sind, gelistet.
Für Einzeller bzw. Protozoen gelten folgende Infektionswege:
Einzeller sind in der Umwelt vor allem in Gewässern und Pfützen zu finden. Wie Würmer werden diese aber natürlich auch über das Kotfressen von infizierten anderen Tieren übertragen.
Klinik
Werfen wir als nächstes einen Blick auf die Klinik. Die Präpatenz kann grob als der Zeitraum definiert werden, ab der ein Hund infektiös ist, also andere Wirte anstecken kann. In der Klinik interessieren uns die Symptome, die der Parasit verursacht, die verbundenen Krankheiten und Komplikationen und natürlich, ob der Parasit als Zoonose auch für den Menschen ein Risiko darstellt. Die Klinik in Kombination mit den zuvor beschriebenen Infektionswegen hilft uns, das individuelle Risiko für unseren Hund und uns Menschen abzuschätzen.
Wir sehen aus der Tabelle, dass die meisten Infektionen asymptomatisch verlaufen. Bitte nicht irritieren lassen: Nur weil ein Tier keinerlei Symptome zeigt, heißt dies nicht, dass der Parasit keinen Schaden anrichtet.
Allen Parasiten gemein ist eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Fähigkeit der Immunmodulation. Sie sind also in der Lage das Immunsystem ihres Wirtes herunterzufahren. Daher birgt jede Parasitose die Gefahr von schwerwiegenden Folgeinfektionen durch Bakterien und Viren, Anämien durch blutige Durchfälle oder Darmverschlüsse und Darmwandrisse durch die starke Vermehrung der Helminthen. Besonders Welpen und ohnehin immungeschwächte Hunde sind hier besonders gefährdet. Eine Komplikation der parasitären Infektion kann daher immer die Todesfolge für unseren Vierbeiner sein.
Zusammenfassend die wichtigsten Aussagen im Überblick
1. Die meisten Infektionen verlaufen beim Hund asymptomatisch.
Asymptomatisch bedeutet keineswegs, dass der Parasit keinen Schaden anrichtet. Tatsächlich gibt es aktuelle Forschungen zu dem Thema, die zeigen, dass insbesondere Helminthen aktiv das Immunsystems ihres Wirtes über Cytokine herunterfahre, um nicht abgestoßen zu werden. Das Ziel ist es, sich auf diese Weise ungestört ausbreiten und vermehren zu können. Diese Immunmodulation erklärt auch, warum infizierte und asymptomatische Hunde schnell an bakteriellen oder viralen Folgeinfektionen leiden, die ein kompetentes Immunsystem regulieren würde. Parasiten öffnen damit die Tür für eine Reihe von Folgeerkrankungen und könnten eine Erklärung für den scheinbar dauerhaft kranken Hund sein. Fatal also, wenn dieser "empfindliche Hund" nun wider besseren Wissens vor der vermeintlich schädlichen Wurmkur bewahrt werden soll.
(Übrigens: Tatsächlich wird zurzeit intensiv an der Immunmodulation von Helminthen geforscht, um in Zukunft neue Medikamente zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten zu entwickeln. Ich liebe Wissenschaft!)
2. Asymptomatische Hunde sind trotzdem infektiös, also ansteckend.
Ein Hund muss keinesfalls klinische Symptome zeigen, um Ausscheider der Vermehrungsprodukte seines Parasiten zu sein und damit andere Zwei- und Vierbeiner zu infizieren. Tatsächlich profitiert ein Parasit sehr davon, wenn sein Wirt unbemerkt im Freilauf oder dem Hundeplatz fleißig andere Hunde ansteckt. Die Fähigkeit zur Immunmodulation und damit zur Unterdrückung von klinischen Symptomen wurde bereits oben erläutert und dient der Vermehrung und Ausbreitung des Parasiten.
3. Fast alle Parasiten sind Zoonosen - also auf den Menschen übertragbar.
Die meisten Parasiten, die unsere Hunde befallen, können auch auf den Menschen übergehen und zu schwerwiegenden Erkrankungen und klinischen Symptomen führen. Besonders immungeschwächte Menschen, Schwangere und Haushalte mit kleinen Kindern sollten daher neben der Gesundheit ihres Vierbeiners, auch bewerten, inwieweit eine Infizierung ein Risiko für sie darstellt. An dieser Stelle bitte auch im Hinterkopf behalten, dass eine parasitäre Erkrankung beim Menschen zu sehr unspezifischen Symptomen führt und vermutlich erst nach etlichen Arztbesuchen identifiziert wird - zumindest wurden wir bei Magen-Darm-Problemen noch nie sofort auf Parasiten getestet.
4. Infektionsquellen sind neben Kot und infizierten (Beute-)Tieren vor allem die Umwelt und der Kontakt zu kontaminierten Böden, Gewässern und Gräsern.
Die meisten Hundehalter verbinden Parasiten noch immer mit Koprophagie (also dem Fressen von Kot) oder Kontakt zu Beutetieren, wie im Falle von Jagdhunden. Fälschlicherweise wird hier geschlussfolgert, dass das Risiko einer Infektion für das eigene Tier äußerst gering ist. Tatsächlich infizieren sich die meisten Hunde ganz alleine über kontaminierte Böden, Gräser und Gewässer und nehmen die infektiösen Stadien der Parasiten nach dem Spaziergang über das Abschlecken ihrer Pfoten und des Fells auf.
5. Die parasitäre Belastung der Umwelt steigt.
Der Trend zur Diagnostik und der Vermeidung von Wurmkuren lässt die Zahl der symptomlosen Ausscheider rasant ansteigen. Wo früher noch meist im Rahmen der Präpatenz entwurmt wurde, sodass der eigene Hund kein Überträger von Parasiten ist, werden jetzt meist nicht einmal mehr die Kothaufen des Hundes weggeräumt, weil gerade kein Beutel zur Hand ist. Hundeausläufe sind ein Paradies für Parasiten, da es nahezu unmöglich ist, diese zu desinfizieren und dekontaminieren und infektiöse Stadien teilweise über Jahre im Boden erhalten bleiben.
6. Die tatsächlichen Folgen parasitärer Infektionen bleibt eine Dunkelziffer.
Der Jagdhund, der bei der Arbeit den plötzlichen Herztod erlitt oder der dauerhaft kränkelnde Havaneser der Nachbarin, der letztendlich der Anämie zum Opfer fiel. Obduktionen sind aufwendig und kostspielig und bei Haustieren eher unüblich. Ob die Todesursache tatsächlich die Folge einer parasitären Infektion ist, bleibt daher in den meisten Fällen unklar. Zu Schlussfolgern, dass Parasiten daher keine letalen Folgen haben, ist schlichtweg falsch.
7. Wir werden niemals alle Parasiten und Zoonosen kennen.
Das Klima in Deutschland wird wärmer und mit steigenden Temperaturen werden auch Parasiten heimisch, die bislang nur in eher tropischen Regionen zu finden waren. In Süddeutschland sind beispielsweise bereits Sandmücken zu finden, die Leishmaniose übertragen - bisher noch immer als eine "Mittelmeerkrankheit" bekannt. Was bislang in den Köpfen der meisten Halter ein Problem von Auslandshunden war, wird nun zur heimischen Infektion. Neben bekannten Parasiten, werden jedoch auch regelmäßig neue Endoparasiten entdeckt, wie etwa die Blastozyten, deren genaue Auswirkungen auf den Körper noch erforscht werden. In Hinblick auf parasitäre Infektionen müssen wir also stets im Hinterkopf behalten, auch wenn dies immer den kleineren Prozentsatz betreffen wird, dass unseren Hund ein Erreger plagt, der auf keiner aktuellen Liste zu finden ist.
Wir haben verstanden, dass unsere Hunde sich mit einer Reihe von Endoparasiten infizieren können. Die Liste kann noch um Ektoparasiten, wie Zecken und Flöhe, erweitert werden. Was also können wir als Halter tun, um unser Tier und auch uns bestmöglich zu schützen? Teil 2 der Blogreihe beschäftigt sich daher mit der Diagnostik von Endoparasiten und vor allem den Möglichkeiten und Grenzen von Kotanalysen. Es bleibt spannend! :-)
Quellen:
ESCCAP Deutschland e.V. 2014. Bekämpfung von Würmern (Helminthen) bei Hunden und Katzen.
ESCCAP Deutschland e.V. 2017. Bekämpfung von intestinalen Protozoen bei Hunden und Katzen.
Maizels RM, Smits HH, McSorley HJ. 2018. Modulation of host immunity by helminths: the expanding repertoire of parasite effector molecules.
Morelli S, Diakou A, Di Cesare A, Colombo M, Traversa D. 2021. Canine and Feline Parasitology: Analogies, Differences, and Relevance for Human Health.
Comments